Prof. Dr. Georg Delle Karth

Brustschmerzen, was steckt dahinter?

Herr Prof. Delle Karth, woran muss man denken, wenn Schmerzen im Brustkorb auftreten?

Prinzipiell können ganz unterschiedliche Krankheiten dafür verantwortlich sein. Manche dieser Ursachen sind gefährlich und können einen potentiell lebensbedrohlichen Zustand anzeigen, während in anderen Fällen die Schmerzen zwar unangenehm sind, aber wo dann doch eine eher banale Krankheitsursache dahintersteckt.

Bei plötzlich auftretenden Brustschmerzen muss man natürlich besonders die Möglichkeit eines  Herzinfarkts in Betracht ziehen. Typisch sind dabei anhaltenden Schmerzen in der Mitte des Brustkorbs, welche bis zum Kiefer/Zähne, in die Arme, in den Oberbauch oder zwischen die Schulterblätter und in den Rücken ausstrahlen können. Der Schmerz wird häufig als Druck- oder Engegefühl oder auch als Brennen oder Ziehen beschrieben. Oft, aber nicht immer, werden die Schmerzen als besonders stark beschrieben,  wobei gerade bei älteren Personen und Menschen mit Diabetes die Symptomatik weniger ausgeprägt sein kann. Dazu kommen dann beim Herzinfarkt häufig noch Übelkeit und starkes Schwitzen, und auch Luftnot kann zusätzlich auftreten.

Wichtig ist, dass man bei plötzlich auftretenden und dann anhaltenden Brustschmerzen (über 10-20 Minuten) oder bei akuter Luftnot keine Zeit verliert und sofort den medizinischen Notruf 144 ruft. Je rascher ein Herzinfarkt erkannt und damit behandelt wird, umso besser ist die Prognose.

Herzinfarkt

Gibt es neben dem Herzinfarkt auch andere gefährliche Ursachen für einen plötzlich auftretenden Brustschmerz?

Ja, vor allem zwei Ursachen möchte ich hier erwähnen. Zum einen die Aortendissektion, die durch einen spontanen Einriss in der Wand der Hauptschlagader des Körpers (Aorta) verursacht wird. Auch tritt plötzlich einmeist sehr heftiger Schmerz im Brustkorb oder im angrenzenden Rückenbereich auf und auch hier ist eine sofortige Verständigung des Notarztes wichtig.

Als zweites möchte ich die akute Lungenembolie ansprechen, wobei hier neben dem akuten Schmerz- oder Druckgefühl im Brustkorb meist die Atemnot im Vordergrund steht. Auch hier sollte akut ärztliche Hilfe gerufen werden und eine sofortige Abklärung im Krankenhaus erfolgen.

Wichtig ist, dass man bei plötzlich auftretenden und anhaltenden Schmerzen  sofort den Notruf 144 ruft.

Sie haben eingangs erwähnt, dass es auch weniger gefährliche Ursachen für Brustschmerzen gibt. Was kann da vorliegen und kann man diese nicht gefährlichen Ursachen von den besprochenen akut lebensbedrohenden Erkrankungen unterscheiden?

Nicht jeder Brustschmerz ist gleich ein Herzinfarkt.  Wenn ein Herzkranzgefäß nur verengt und nicht wie beim Herzinfarkt komplett verschlossen ist, macht sich das klinisch als sogenannte Angina pektoris (Übersetzt: Brustenge) bemerkbar. Typische Angina pektoris Anfälle dauern zumindest wenige Minuten und steigern sich bei physischer oder psychischer Belastung bzw. treten vermehrt beim Bergaufgehen, Stiegensteigen, beim Radfahren gegen den Wind oder bei kaltem Wetter auf. Sie lassen charakteristischerweise innerhalb von wenigen Minuten nach Beendigung der Belastung nach. Wenn diese Beschwerden konstant über Wochen oder länger schon bestehen und immer ähnlich wahrgenommen werden spricht man von stabiler Angina pectoris, bei neu auftretenden Beschwerden oder Zunahme von Intensität oder Häufigkeit der Schmerzereignisse spricht man von instabiler Angina pektoris. Es handelt sich dann um eine Vorstufe des Infarkts, die ebenso wie bei anhaltenden Beschwerden eine akute medizinische Abklärung erfordert.

Woran muss man bei atemabhängigen oder lageabhängigen Schmerzen denken?

Entzündungen des Herzmuskels oder des Herzbeutels können stechende Schmerzen in der Herzgegend verursachen, welche meist atemabhängig und lageabhängig auftreten und sich wie im Fall einer Herzbeutelentzündung häufig beim Aufsetzen bessern. Relativ häufig liegt auch eine Rippenfellentzündung im Rahmen eines viralen oder bakteriellen Infekts vor, die Schmerzen werden auch hier durch die Verschiebung entzündeter Gewebsstrukturen wie Brustfell oder Rippenfell verursacht. Im Besonderen, wenn diese Schmerzen mit Fieber und/oder Luftnot verbunden sind, ist ebenfalls eine rasche medizinische Abklärung erforderlich.

Und bei welchen Schmerzcharakteristika kann man Entwarnung geben?

Vorausschicken möchte ich, dass bei neu aufgetretenen Schmerzen im Brustkorb immer eine ärztliche Untersuchung stattfinden sollte. Die erste Anlaufstelle ist nicht unbedingt gleich der Kardiologe, die Kardiologin, sondern der Hausarzt, oder die Hausärztin, da ja nicht immer das Herz der Auslöser von Brustschmerzen ist. Es gibt auch eine Reihe von harmloseren Ursachen für Beschwerden im Brustbereich, wie Probleme an der Wirbelsäule oder muskuläre Verspannungen, welche meist als umschrieben bzw. punktförmig wahrgenommen werden. Hier weisen oft diskrete Hinweise in der Vorgeschichte (zB. kleine Verletzung oder lokale Überlastung) und eine lokale Schmerzauslösung auf Druck und Bewegung den Weg zur richtigen Diagnose. Nicht zu vergessen sind auch Erkrankungen der Speiseröhre, die neben Sodbrennen durchaus auch mit deutlichen Schmerzen hinter dem Brustbein einhergehen können. Auftreten dieser Symptome nach größeren fettreichen Mahlzeiten oder die Verstärkung der Beschwerden in Rückenlage können hier weitere typische Merkmale sein.

 

Herr Prof. Delle Karth, besten Dank für das Gespräch!

Priv.-Doz. Dr. Georg Delle Karth

Georg Delle Karth ist seit 20 Jahren begeisterter interventioneller Kardiologe mit Spezialgebieten im Bereich der koronaren Herzerkrankung und im Bereich von Herzklappenerkrankungen. Sein wissenschaftliches Werk umfasst über 100 Publikationen in Journalen mit Peer-Review. 2007 wurde ihm die Lehrbefugnis für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien verliehen. Er ist seit Jahren mit der österreichischen kardiologischen Gesellschaft verbunden, leitete die Arbeitsgruppe für Intensivmedizin und ist Mitglied des Nucleus der Arbeitsgruppe für Interventionelle Kardiologie. Seit 2021 ist er President-elect der Gesellschaft. Nach über 20 Jahren an der kardiologischen Universitätsklinik Wien, leitet er seit 2014 die Kardiologie des Krankenhaus Hietzing, welche 2019 als komplette Abteilung in das Krankenhaus Nord (nunmehr Krankenhaus Floridsdorf) übersiedelte. Zusätzlich betreibt er seit 2014 eine Privatordination im 8. Wiener Gemeindebezirk.

Prof. Dr. Georg Delle Karth

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