Wann ist ein Herzohr-Verschluss sinnvoll?
Vorhofflimmern ist mit einem erheblichen Schlaganfallrisiko verbunden. Neben gerinnungshemmenden Medikamenten stellt auch der Verschluss des linken Herzohres eine vorbeugende Maßnahme zur Vermeidung von Schlaganfällen dar. In Frage kommen dafür einerseits Patient:innen mit hohem Blutungsrisiko und andererseits auch Patient:innen, die trotz einer gerinnungshemmenden Medikation weiter Schlaganfälle erleiden.
Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung vor allem beim älteren Patient:innen. Die gefürchtetste Komplikation von Vorhofflimmern ist das Auftreten eines Schlaganfalls. Dabei spielt eine Gerinnselbildung im linken Herzvorhof, und genauer gesagt im linken Herzohr, eine entscheidende Rolle. Teile des Gerinnsels können in der Folge mit dem Blutstrom in die Hirngefäße verschleppt werden und dort einen Gefäßverschluss (Hirninfarkt, Schlaganfall) verursachen.
Durch Vorhofflimmern erhöht sich das Schlaganfallrisiko im Schnitt auf das Fünffache, das individuelle Risiko der/des Einzelpatientin/en kann durch den CHA²DS²VASc – Score bestimmt werden, in den verschiedene Risikofaktoren eingehen: Herzinsuffizienz, Blutdruck, Alter, Diabetes, abgelaufener Schlaganfall, Gefäßerkrankung, weibliches Geschlecht. Das Mittel erster Wahl zur Vorbeugung gegen Schlaganfall ist – und bleibt – eine medikamentöse „Blutverdünnung“ mit den neueren Gerinnungshemmern Dabigatran (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®), Apixaban (Eliquis®), oder Edoxaban (Lixiana®).
Da etwa 90% der Gerinnsel im linken Herzohr, einem „Anhängsel“ im Nebenschluss zum linken Vorhof, entstehen, kann auch ein gezielter Verschluss des Herzohres das Schlaganfallrisiko deutlich senken.
Der Verschluss des Herzohrs kann 1) chirurgisch oder 2) interventionell mittels Herzkatheter erfolgen.
1) Chirurgisch kann das Herzohr „von außen“ bei sowieso eröffnetem Brustkorb durch Vernähen ausgeschaltet werden, zumeist im Rahmen einer anderen notwendigen Herz-Operation. Es gibt aber auch Techniken, bei denen mittels Zugang über den eröffneten Herzbeutel das Herzohr mit einem Faden „von außen“ umschlungen und somit verschlossen wird.
2) Bei der interventionellen Technik wird ein Katheter aus der rechte Leistenvene über den rechten Vorhof mittels Punktion der Vorhof-Scheidewand in den linken Vorhof vorgebracht. Das Herzohr wird danach radiologisch sowie mittels Herzultraschall vermessen, um die korrekte Größe des Verschlusssystems auszuwählen.
Da die Ultraschallsonde zur genauen Vermessung über die Speiseröhre eingebracht werden muss, wird zumeist auch der interventionelle Eingriff in Narkose durchgeführt. Das Verschlusssystem ist ein enges Drahtgeflecht in Form eines Körbchens, das sich nach Einbringen durch den Katheter und bei Platzieren im Herzohr dort selbst entfaltet. Es gibt zwei gängige Modelle: das Watchman- Device und das Amplatzer-Device (siehe Bilder). Abschließend wird durch den „tug-Test“ (= Ziehen an dem noch mit dem Katheter verbundenen Device) der feste Sitz des Verschlusssystems getestet und danach das Körbchen vom Katheter abgesetzt. Die Gitterstruktur des Verschluss-Device wird nach einigen Monaten von Endothel (= „Gefäßinnenhaut“) überwachsen und verschließt so das Herzohr.
Die Kathetertechnik birgt aber auch einige Risiken: Das Herzohr besitzt eine ausgesprochen dünne Wand, die durch den Eingriff verletzt werden kann. Die Folge ist dann eine Blutung aus dem Herzohr in den Herzbeutel, was zur Herzbeutel-Tamponade mit Blutdruckabfall führen kann. Diese Komplikation ist unter Umständen nur durch eine akute Herz-Operation zu beheben. Die Gefahr der Herzbeutel-Tamponade ist mit zunehmender Erfahrung wohl geringer geworden (von anfangs 4% nun bei etwa 1-2% aller Eingriffe), aber sie ist dennoch nicht vernachlässigbar. Eine weitere mögliche Komplikation ist die Gerinnselbildung am Verschluss-Device selbst mit nachfolgendem Schlaganfall, oder ganz selten, ein spontanes Ablösen des Körbchens mit Embolisation in die großen Körpergefäße. Insgesamt wird in Registern aktuell die Komplikationsrate mit rund 4% angegeben.
Die Studienlage zum Herzohrverschluss ist derzeit noch relativ bescheiden: Lediglich zwei kontrollierte Studien haben eine gegenüber den „älteren Blutverdünnern“ (Vitamin K-Antagonisten Marcoumar und Sintrom), vergleichbare Wirksamkeit des Herzohrverschlusses in Hinblick auf die Schlaganfallvermeidung gezeigt. Patient:innen nach Herzohrverschluss wiesen aber - wenig überraschend - geringere Blutungsraten auf, da sie ja auf Dauer keine blutverdünnenden Medikamente mehr benötigt hatten.
Einen Vergleich des Herzohrverschlusses mit den besseren neueren Antikoagulantien (NOACs) in kontrollierten Studien gibt es bislang nicht. Die neuesten Richtlinien der europäischen Kardiologischen Gesellschaft sind in der Empfehlung des interventionellen Herzohrverschlusses daher noch zurückhaltend: Der Herzohrverschluss sollte nur angeboten werden, wenn:
- bei einem erhöhtem Schlaganfallrisiko eine Kontraindikation gegen eine blutverdünnende Medikation besteht (zB. bei hohem Risiko für eine Hirnblutung, oder für Blutungen im Verdauungstrakt), oder
- wenn es trotz Blutverdünnung weiterhin zu Schlaganfällen gekommen ist.